Dienstag, 18. Februar 1975

Der Kampf um den Traumberuf

Ein Erlebnisbericht mit Originaldokumenten und den dazugehörigen Schriftstücken als Zeitzeugen

Bücher wie Robinson Crusoe oder die Schatzinsel, lassen wohl jeden Jungen einmal von der Seefahrt und von fremden Ländern träumen.
Doch bei mir hatte sich dieser Traum in Kopf festgesetzt. Ja, Seemann wollte ich werden, fremde Länder wollte ich sehen. Das war jetzt mein größter Wunsch. Dafür ließ ich alles andere (Musikschule, Posaune spielen im Orchester und Schwimmtraining) im Verein stehen und liegen.
Die schulischen Leistungen mussten besser werden. Schließlich hatte ich ja einen Berufswunsch – den Wunsch einen Traumberuf zu erlernen.
Die schulischen Leistungen wurden besser.
Ich bewarb mich, noch bevor meine Klassenkameraden auf Lehrstellensuche gingen. Denn es hieß ja, bei der DSR müsste man sich früher bewerben. Denn die Bearbeitung der Bewerbungen würde sehr lange dauern.
Die vielseitigen Anträge, die man auszufüllen hatte bewiesen dies.
Zunächst bewarb ich mich um eine Berufsausbildung mit Abitur. Da erschienen schon das erste Hinderniss in Form einer Absage.




Doch immerhin bot diese Absage immer noch im zweiten Absatz eine Alternative. Das war später nicht mehr so.
Natürlich war mir eine seemännische Berufsausbildung ohne Abitur auch recht. Das Abitur konnte man ja schließlich auch noch nachholen.

Kurz darauf kamen die Anträge mit einem sehr umfangreichen Mitteilungsblatt, wie man diese Anträge denn auszufüllen hätte.

Dies Mitteilungsblatt lässt erahnen welche Mühe es machte, die mitgeschickten Anträge auszufüllen.
Einige Fragen, gerade in Bezug auf, die nähere und entfernter Verwandtschaft, ließen, selbst mich als fasst 16 jährigen, erahnen, das es Schwierigkeiten geben könnte.
Merkwürdige Dinge passierten. Nachbarn berichteten uns von Unbekannten, die Fragen über unser persönliches Umfeld und über unser Familienleben stellten.
Meine Klassenlehrerin sprach mich an und berichtete mir, dass der pädagogische Rat der Schule eine gesonderte Beurteilung über mich abgeben musste.
Dies waren die ersten Momente in meinem Leben in dem ich eine Paranoia hätte entwickeln können. Ich fühlte mich zeitweise beobachtet und verfolgt.
Im Mai 1975 stellte sich heraus, dass sich die Mühe nicht gelohnt hatte. Das Desaster kam in Form eines unpersönlichen Ablehnungsschreibens. Von dem Moment an kann man von einem 

"Kampf um den Traumberuf" 


sprechen.




  • Wütend setzte mein Vater das, unten stehende, Schreiben auf:


  • Weiter ging es mit Nichtssagenden unpersönlichen Antworten der Reederei, die meinen Vater nur noch wütender machten:

  • Mein Vater berief sich auf sein, auch in der DDR geltende, Eingabe-recht und machte folgende Eingabe an den Minister für Verkehrswesen.


Nun verstrich die Zeit. Merkwürdigerweise bekam ich jetzt Post von einer Reihe andere Betriebe, die mir ungefragt eine Lehrstelle anboten. Auch meine Mitschüler begaben sich nun offiziell, wie es in der DDR damals üblich war, auf die Suche nach einer Lehrstelle.
Mein Vater verbot mir zu der Zeit auf nur eine der angebotenen Lehrstellenangeboten zu reagieren. So kam es, dass ich in meiner Klasse dann der Einzige war, der noch keinen Lehrvertrag in der Tasche hatte. Für damalige DDR Verhältnisse, aus staatlicher Sicht, ein unmöglicher Zustand.
Wieder zog man Erkundigungen über uns ein.



Die geforderte Erklärung bekamen wir auch nicht vom Verkehrsministerium. Doch es kam die erlösende Antwort, welche die Bewerbung wieder aufnehmen ließ. Trotz „Kaderrichtlinien“ war man beim Verkehrsministerium und bei der DSR den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Wahrscheinlich in der Hoffnung doch noch eine Möglichkeit zu finden, mir die Ausbildung in meinem Traumberuf zu verweigern. Auch bekam ich in dieser Zeit wieder ungefragt Lehrstellenangebote.




Danach setzte die ganze Bewerbungsprozedur wieder ein:


Doch dann kam dann doch der langersehnte Lehrvertrag. Niemand konnte damals ahnen, dass diese Geschichte sich zu einer unendlichen Geschichte entwickeln würde, deren Folgen bis zum heutigen Tag zu spüren sind.



Angehängt an dieses Schreiben war die, unten stehende, Einkaufsliste, die die gesamte Auszahlungssumme einer Lebensversicherung meiner Eltern verschlang.
Auch war es schwierig all diese Dinge innerhalb solch kurzer Zeit, bei der schon damals desolaten Versorgungslage in der DDR zu beschaffen. Doch der Kraftakt wurde bewältigt.